Tempelhofer Feld, A 100 oder City Tax – hier möchte ich über wichtige Themen aus meiner parlamentarischen Arbeit erzählen. Darüber, was wir erreicht haben und das, wofür wir noch weiter kämpfen werden. Heute ist die Hälfte der fünfjährigen Legislaturperiode im Berliner Abgeordnetenhaus um. Genau vor zweieinhalb Jahren am 26. September 2021 haben mich die Wähler*innen mit 38,4 Prozent in meinem Wahlkreis in Friedrichshain direkt und erstmals ins Berliner Landesparlament gewählt.

Turbulente Zeit: Erst Rot-Grün-Rot, dann Wahlwiederholung und bittere Opposition

Es war bisher eine wirklich turbulente Legislaturperiode. Wegen der vielen Fehler bei der Berlin-Wahl 2021 musste sie im Februar 2023 wiederholt werden. Das Ergebnis: Obwohl weiterhin Rot-Grün-Rot ein klare Mehrheit hatte, hat sich die damalige Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) für eine Rückschrittskoalition mit der CDU entschieden. Seitdem sind wir in der Opposition. Bitter, denn wir hätten gern noch viele weitere wichtige soziale und ökologische Projekt aus unserem Koalitionsvertrag in die Spur geschickt. Und gemeinsam mit der CDU stoppt die SPD nun wichtige Projekte für die Verkehrswende, beim Schutz der Grünflächen oder beim ökologischen und sozialen Wohnungsbau.

Bei den vielen Rückschritten geht fast ein bisschen unter, dass sich mein Wahlergebnis bei der Wiederholungswahl mit 39,5 Prozent sogar noch leicht verbessert hatte – daher an dieser Stelle auch nochmal vielen Dank für das Vertrauen!

Aber was waren die Themen, die mich persönlich als Sprecher der Grünen-Fraktion für Stadtentwicklung, Tourismus und Clubkultur beschäftigt haben? Hier ein kleiner Ausschnitt:

Für bezahlbare und vielfältige Kieze - Julian Schwarze

Wahlplakat zur Wiederholungswahl 2023

Stadtentwicklung

Tempelhofer Feld retten

Das Tempelhofer Feld muss dauerhaft als naturnahe Freifläche geschützt bleiben. So wie es die Berliner*innen per Volksentscheid 2014 beschlossen haben. Die vergangenen Jahre sind ein großer Erfolg. Vor zehn Jahren hatte sich niemand vorstellen können, wie sehr das Feld die Massen an Besucher*innen anziehen würde. Heute ist das Feld ein riesiger Freizeit- und Erholungsort; rund 200.000 Besucher*innen nutzen das Feldes pro Woche. Neben den Berliner*innen profitieren auch die Natur und das Stadtklima von der beliebten naturnahen Freifläche. Das muss auch so bleiben. Eine Bebauung – auch an den Rändern – lehnen wir ab.  Die Bebauung der Grünfläche würde das Wohnungsproblem nicht lösen, wenn es tatsächlich nur „behutsam“, „sehr verträglich“ und „in einem sehr geringen Umfang“ bebaut werden würde. Potentiale für Wohnungsbau gibt es in der Stadt ausreichend – wir haben in Berlin auch kein Flächen-, sondern vor allem ein Umsetzungsproblem. Über 60.000 Wohnungen wurden in Berlin bereits genehmigt, aber noch nicht gebaut. Über 200.000 neue Wohnungen sind – auch ohne das Tempelhofer Feld – im sogenannten Stadtentwicklungsplan Wohnen bis 2030 fest eingeplant und der neue StEP Wohnen sieht sogar noch mehr vor. Dazu gehören auch viele der rund zwei Dutzend sogenannten Neuen Stadtquartiere, die großes Potential für bezahlbare Wohnungen bieten, deren Planungen schon deutlich vorangeschritten sind und die somit auch schneller realisiert werden können. Darauf sollte der CDU/SPD-Senat seine Ressourcen konzentrieren, statt mit eine Pseudo-Debatte über die Bebauung von Versagen beim zügigen Wohnungsbau abzulenken. Die THF-Bebauung verhindert auch keine Bebauung von Innenhöfen. Investoren haben leider in vielen Fällen ein Anrecht darauf, Innenhöfe und wichtige kleine Grünflächen zu bebauen. Wegner und Co tun nun so, als würden Investor*innen dort auf gewinnträchtige Projekte verzichten, wenn das Tempelhofer Feld bebaut würde. Das werden sie leider nicht tun und daher ist es auch falsch, die Innenhöfe gegen das Tempelhofer Feld auszuspielen.

#A100stoppen

Es gibt die verrückte Idee, die Stadtautobahn A100 parallel zum S-Bahnring vom Treptower Park über die Spree, dann mitten durch (meinen Wahlkreis in) Friedrichshain bis zu Storkower Straße im Prenzlauer Berg zu verlängern. Als Grüne halte wir das für verkehrspolitischen Unsinn und klimapolitischen Wahnsinn. Die Autobahn wäre mit Kosten von über 240.000 Euro pro Meter (!!!) die teuerste Autobahn der Republik und damit ein absurdes Milliardengrab. Zehntausende Anwohner*innen würden vom Lärm rasender Fahrzeuge betroffen sein. Die Flächen der geplanten Trasse könnte Berlin viel besser für sozialen Mietwohnungsbau, Grün-, Bildungs- und Sportflächen sowie für kulturelle und soziale Nutzung gebrauchen, denn gerade in der recht zentralen Lage gibt es riesigen Mangel an Platz.

Daher haben wir im August 2023 den grünen Antrag „Keine Verlängerung der A 100“ ins Abgeordnetenhaus eingebracht, der von CDU und SPD abgelehnt wurde. Anders als Rot-Grün-Rot haben sich CDU/SPD im ihrem Koalitionsvertrag nicht gegen die Verlängerung des A100 ausgesprochen. Mehr Infos im einem umfassenden FAQ auf meiner Webseite.

Signa: perfides Geschäftsmodell vs. alternative Nutzungs- und Baukonzepte

Milliardenverluste, Warnungen der Europäischen Zentralbank und als vorläufiger Höhepunkt die Insolvenzen von Signa-Holding, Galeria Karstadt Kaufhof und KaDeWe – die Liste der Signa Katastrophenmeldungen ist lang. Unsere volle Solidarität gilt den Kaufhausbeschäftigten, die – im Gegensatz zum Senat – dafür gekämpft haben, eine weitere Pleite der Kaufhauskette abzuwenden. Sie wurden allein gelassen von einer schwarz-roten Koalition und einer Wirtschaftssenatorin, die bis zum bitteren Ende an einem fragwürdigen Investor festgehalten haben. Signa hat bis zuletzt ein spekulatives Geschäftsmodell verfolgt, das keinen Mehrwert für die Stadt bringt, sondern nur auf Rendite abzielt: Signa kaufte Kaufhäuser nicht um dort Waren zu verkaufen, sondern um deren Immobilien und Grundstücke zu versilbern. Den Rest hat Signa auch schon vor dem eigenen Ende ohne Probleme viel zu oft in die Pleite rutschen lassen – mit schlimmen Folgen für die Beschäftigten und für die Stadtzentren. Deshalb hatten wir den Senat bereits im vergangenen Jahr mit einem Antrag im Berliner Abgeordnetenhaus aufgefordert, alle städtebaulichen Vorhaben in seiner Zuständigkeit auf den Prüfstand zu stellen. Auch soll er in Absprache und Kooperation mit den jeweiligen Bezirken gemeinsam überprüfen, inwiefern für Signa-Projekte in Berlin alternative Nutzungs- und Baukonzepte entwickelt werden müssen. Schritte, die auf die Schaffung von Baurechten abzielen, müssten zudem ausgesetzt werden. Im Bezirksparlament haben die Grünen-Fraktion und der grüne Baustadtrat Florian Schmidt bereits gefordert, die Zuständigkeit für das Bebauungsplanverfahren am Hermannplatz vom Land zurück in den Bezirk zu geben. Das Land hatte den Bezirk entmachtet, weil der dem Milliardär nicht den roten Teppich ausgerollt hatte, sondern einen Mehrwert für den Kiez wollte.

Karstadt am Hermannplatz muss kiezverträglich bleiben.

Neue Stadtquartiere: öko, gemeinwohloriertiert und sozial

Berlin plant bis 2030 rund zwei Dutzend neue Stadtquartiere mit rund 200.000 Wohnungen. Als Grüne kämpfen wir dafür, das möglichst viele diese Wohnungen durch städtische Wohnungsunternehmen und Genossenschaften gebaut und vermietet werden. Neben bezahlbaren Wohnungen ist uns dabei wichtig, dass klimafreundlich und mit viel Grün zwischen den Gebäuden und auf den Dächern und Fassaden gebaut wird. Zu den Neuen Stadtquartieren und anderen Bauprojekten habe ich zahlreiche parlamentarische Anfragen an den Senat gestellt. Denn die Kontrolle des Senats gehört zu den wichtigsten Aufgaben von uns Abgeordneten. Das Ziel: Aufklären über Planungen, die in die falsche Richtung laufen. Wo stoppt der Senat die Planung ausreichend bezahlbarer Wohnungen? Wo sollen Grünflächen für Luxusprojekte geopfert werden? Oder wo kommt der Senat Immobilienkonzernen in der Planung entgegen – ohne das die Stadt dafür einen Mehrwert bekommt. Solche Missstände versuchen wir dann über die Medien öffentlich zu machen. Denn unser Ziel ist eine klimagerechte, partizipative, gemeinwohlorientiert und vor allem soziale Stadtentwicklung.

Molkenmarkt: Bezahlbares Wohnen oder historisierender Wiederaufbau

Auch am Molkenmarkt soll ein neues Stadtquartiere entstehen. Hier kämpfen wir für bezahlbare Wohnungen und gegen den Wiederaufbau alter Fassaden, die konservative Kräfte erreichen wollen. Molkenmarkt, sagt euch nichts? Das ist der Platz hinter dem Roten Rathaus, auf dem – nach Verlegung der Straße – ein neues Stadtquartier entstehen soll. Wir sagen: Am Ort der Stadtgründung sollte nicht die Stadt von gestern wieder aufgebaut werden, sondern die Stadt der Zukunft: klimaneutral, mit viel Grün und bezahlbaren Wohnungen. Sprich: Ein Stadtquartier, auf das Berlin stolz sein kann. Daher haben wir zum Molkenmarkt einen entsprechenden Antrag im Abgeordnetenhaus eingebracht. Außerdem waren die Skandale und Tricks von Senatsbaudirektorin Petra Kahlfeldt Themen vieler meiner schriftlichen Anfragen an den Senat. Über viele der Anfragen haben die Berliner Medien berichtet.

Tourismus

City Tax für Gewerbetreibende – Gerechtigkeitslücke geschlossen

Viele Jahre mussten Tourist*innen in Berlin eine City-Tax bezahlen, Geschäftsreisende jedoch nicht. Diese Gerechtigkeitslücke wird Berlin in wenigen Tagen – am 1. April 2024 – geschlossen. Dafür habe ich als Sprecher für Tourismus zusammen mit meiner Fraktion lange gekämpft – mit parlamentarischen Anfragen, in der öffentlichen Debatte und mit einem Antrag im Abgeordnetenhaus. Dass die Koalition aus CDU und SPD letztlich nicht unseren Antrag, sondern einen im Kern identischen beschlossen hat, schmälert nicht unseren Erfolg. Der einzige Wermutstropfen: Wir hätten das alles schon viel früher auf den Weg bringen können. Allerdings hatten wir auch gehofft, dass die Koalition sich auch noch unseren Vorschlägen anschließt, wofür Berlin die 25 Millionen Euro zusätzlicher Einnahmen verwendet: Nämlich für Kultur und die freie Szene, einen stadtverträglichen Tourismus und den Breitensport. Soweit ging die Abschreiberei dann aber doch nicht.

Fonds ökologischer Tourismus

Auch mit dem Fonds ökologischer Tourismus führen CDU und SPD ein Programm weiter, das wir in der Koaltion mit SPD und Linken vereinbart hatten. Ziel ist es, Hotellerie, Gastgewerbe und touristische Einrichtungen dabei zu unterstützen, u.a. ihren Ressourcenverbrauch zu reduzieren und die Energieeffizienz zu steigern, oder etwa die Barrierefreiheit zu verbessern. Dabei soll der Fokus auf der Beratung liegen. In meiner parlamentarischen Arbeit begleite ich das Projekt nun kritisch weiter und achte darauf, dass es auch der neue Senat in unserem Sinn weiter führt.

Clubkultur

Parlamentarischen Forum, Standortsicherung, Schallschutzfonds

Die vielen Berliner Clubs und Kollektive sind oft Orte, an denen Musik und Kultur jenseits des Mainstreams stattfinden können. In ihrer Vielfalt sind sie ein nicht wegzudenkender Bestandteil der Kultur und bieten essentiellen kreativen Freiraum. Daher habe ich mich in meiner parlamentarischen Arbeit dafür eingesetzt, unsere lebendige Clubkultur zu erhalten – und entsprechende Standorte zu sichern und neue zu ermöglichen. Insbesondere der neue Ort für die Zukunft am Ostkreuz hat in meinem Wahlkreis dabei eine große Rolle gespielt. Damit wir uns im Berliner Abgeordnetenhaus parteiübergreifend besser koordinieren können, habe ich mit anderen die Gründung des Parlamentarischen Forums für Clubkultur initiiert. Um Nutzungskonflikte mit der Nachbarschaft zu entschärfen, haben wir 2018 als Teil der Regierung einen Schallschutzfonds für Berliner Clubs ins Leben gerufen. Auch in der Opposition haben wir uns dafür stark gemacht.

Außerdem möchten wir ich bestehende Clubstandorte zukünftig besser vor Verdrängung schützen und neue Clubs leichter ermöglichen. Dazu unterstützen wir eine Überarbeitung der Baunutzungsverordnung (BauNVO) und des Bundes-Immissionsschutzgesetz (insbesondere der sog. TA Lärm) auf Bundesebene, wie sie u.a. auch von vielen Clubvertreter*innen gefordert wird.

Vor Ort im Friedrichshainer Wahlkreis

Für mich bedeutet einen Wahlkreis zu vertreten, präsent zu sein, sich aktiv für die Menschen und Initiativen vor Ort einzusetzen, sie bei ihren Anliegen zu unterstützen und immer ein offenes Ohr zu haben. Von der Scharnweberstraße über den Boxi bis zum Rudolfkiez und weiter zur Spree, von der Warschauer Straße über das RAW-Gelände bis zum Ostkreuz und nach Stralau: Der Wahlkreis 6 in Friedrichshain hat viele Gesichter und ganz unterschiedliche Ecken.

  • Nachdem die Eigentümer der Zukunft am Ostkreuz den Pachtvertrag für das Gelände in der Laskerstraße gekündigt hatten, habe ich – gemeinsam mit vielen anderen – bereits vor der Wahl 2021 hinter den Kulissen daran gearbeitet, dass die „Zukunft“ einen neue Standort finden konnte. Seit 2023 befindet sie sich (wieder als Zwischennutzung) in der Nähe in der Straße Alt-Stralau auf der Vorhaltefläche für die dort geplante Stadtautobahn. Der Kampf gegen die A100 dort (siehe oben) und für einen dauerhalten Standort gehen daher weiter.
  • Auch beim sogenannten Postspäti im Laskerkiez habe ich mit anderen versucht, eine Schließung zu verhindern und eine Lösung zu finden – in diesem Fall allerdings erfolglos.
  • Auch die Verkehrsberuhigung ist weiterhin ein Thema. Mit den beiden Kiezblockinitiativen „Ostkreuzkiez für alle“ und „Modersohn“, gibt es zwei Bürger*innen-Initiativen, deren Anliegen ich unterstüzte. Genauso wie übrigens die Erweiterung des Laskerwiese, die helfen würde, dem Mangel an Grünflächen vor Ort positiv zu begegnen.
  • Seit Jahren setzen sich viele Menschen und Initiativen gegen das Projekt Coral World auf Lichtenberger Seite der Rummelsburger Bucht ein. Das Grundstück (was übrigens mal dem Land gehörte und unter dem letzten SPD-CDU-Senat verkauft wurde) grenzt direkt am Wahlkreis an und das Projekt hat Auswirkungen auf die ganze Bucht. Zusammen mit vielen anderen lehne ich das Riesen-Hotel mit einem überteuerten Aquarium für Tourist*innen ab. Statt dem Investor entgegenzukommen, sollte der Senat umgehend prüfen, wie eine Rückabwicklung des Vertrags möglich ist. Denn Berlin kann das Grundstück in bester Lage selbst gebrauchen für dringend benötigte bezahlbare Wohnungen und als Flächen für Sport, Erholung und Kultur.
  • Wahlrecht ab 16: Viele Jahre haben wir dafür gekämpft, dass Jugendliche ab 16 in Berlin Wählen dürfen. Am 14. Dezember 2023 war es endlich soweit. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat die Verfassung geändert. Die Entscheidung war also überfällig! Denn junge Menschen müssen am längsten mit den politischen Entscheidungen von heute leben. Deshalb müssen sie mehr mitbestimmen können. Gerade für den Stadtteil Friedrichshain, in dem viele junge Menschen wohnen, ist das ein wichtiger demokratischer Fortschritt.

Karte: Wikipedia/Alexrk2/CC BY-SA 3.0